zurück  6.10.2020 Leserbrief in der FN
Der Appell von Landrat Frank schafft Bewusstsein


LAUDA / KÖNIGSHOFEN - LESERBRIEF ZU „JETZT GILT ES, REGIONALBAHN VERSTÄRKT ZU NUTZEN“ (FN, 18. SEPTEMBER)

Erneut hat Landrat Reinhard Frank appelliert, die Regionalbahn zu nutzen. Mich freut jeder Appell, er schafft Bewusstsein. Der Landkreis macht gute Werbung für die RB. Die 500-Personen-Schwelle sehe ich als ehrgeiziges Ziel, nicht als K.o.-Kriterium.

Sind 500 Fahrgäste täglich erreichbar? Ja, wenn wir mehr Zeit haben. Nein bei nur drei Jahren – das ist nach über 30-jähriger Bahn-Abschreckung zu kurz, und die Corona-Angst setzt noch eins obendrauf. Ja, wenn wir mehr Haltestellen haben. Zuerst die nächstgrößeren: Schweigern und Unterschüpf. Nein bei nur dreieinhalb Haltestellen – das ist zu wenig, die Lücken zu groß. Ich kann Pendler verstehen, die in Lauda-Königshofen arbeiten und sagen: „Erst soll ich mit Bus oder Auto zum Bahnhof Wölchingen rückwärts fahren, um dann mit der RB nach Lauda-Königshofen? Und abends das Gleiche zurück? Da fahr ich lieber weiter mit dem Auto.“ Anders wäre es, wenn sie im Heimatort ein- und aussteigen könnten.

Sind 500 Fahrgäste möglich? Ja, wenn die Reisenden als ganze Personen gezählt werden. Und nicht halbiert und geviertelt nach Schüler, nach halber Strecke, nach Streckenkilometern. Bin ich nur eine halbe Portion, eine halbe Streckenkilometer-Person, wenn ich von Boxberg nach Lauda fahre? Brauchen Schüler nur einen halben Platz, weil ihre Strecke nur als halbe Kilometerstrecke gezählt wird? Eine ganze Streckenkilometer-Person müsste die ganze Strecke Lauda-Osterburken fahren. Aber mit Einführung der RB wurde zugleich der Regionalexpress Lauda-Osterburken auf Stundentakt verdoppelt. Und bei Zugproblemen hat der RE stets Vorfahrt, muss die RB immer warten, verspätet fahren. So wird alles getan, um mögliche Ganz-Strecken-Fahrer von der RB wegzusaugen auf den RE.

Sind 500 Fahrgäste möglich? Ja, wenn auch das Haltestellen-Umfeld einladend wird. Nach neun Monaten Probebetrieb gibt es in Wölchingen noch keinen Autostellplatz, keine E-Bike-Station, keine einzige Abstellmöglichkeit für Fahrräder. Die Bahn fordert horrende Monatspachten, damit auf ihrem Schutt- und Schotterplatz ein paar Autos parken könnten.

Daneben lässt sie den traumhaft bläulich eingehüllten Bahnhof weiter verfallen.

In Königshofen fehlt weiterhin der provisorische zweite Bahnsteig. Die RB von Lauda in Richtung Osterburken hält daher nicht in Königshofen. Für Pendler fällt diese Haltestelle praktisch ganz weg.

Der RB-Probebetrieb hat noch Mängel, und 500 Fahrgäste sehe ich als Ansporn. Die dauerhafte Regionalbahn zwischen Lauda-Osterburken ist eine politische Entscheidung, für die es gute Gründe gibt.

Historische Wiedergutmachung: die Anlieger zwischen Lauda und Osterburken haben vor 150 Jahren Land und Landschaft hergegeben, um Bahnverkehr zu ermöglichen. Sie tragen die „Last“ des Fernverkehrs – sie sollten auch wieder die Vorzüge des Nahverkehrs haben, wie von 1866 bis 1985 üblich.

Umweltschutz: die Bahn fährt umweltfreundlicher, mit weniger Unfallgefahr als Busse und Autos. Die Schienen sind vorhanden, zweigleisig und elektrifiziert. Die Windräder unseres Kreises liefern den nötigen Strom, da brauchen wir kein Öl aus dem Nahen Osten.

Gleichbehandlung: auf Nachbarstrecken wurden S-Bahn und RB-Stundentakt ohne das Damokles-Schwert „Mindest-Fahrgastzahl“ eingerichtet. Das muss auch für uns gelten. Wir wollen nicht länger als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.


© Fränkische Nachrichten, Dienstag, 06.10.2020, Autor: Dr. Dieter Thoma zurück

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