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Schienenverkehr muss verlässlich sein


„Frankenbahn für alle“: Informationsaustausch mit den Grünen-Politikern Dr. Leonard Haaf und Rainer Moritz

Main-Tauber-Kreis. Auf Initiative der Bürgerinitiative „Frankenbahn für alle“ (BI) trafen sich der Landtagskandidat Dr. Leonhard Haaf und der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, Rainer Moritz, zu einem Informationsgespräch mit Mitgliedern der Bürgerinitiative, Bürgermeisterkandidierenden und Boxberger Kommunalpolitikern auf dem Bahnhof in Wölchingen.

Herbert Sohns von der BI ging auf die Geschichte der zweigleisigen Frankenbahn ein, die vor 155 Jahren eröffnet wurde. Die damalige Regierung habe diese Infrastrukturmaßnahme eher gegen den Willen der Bevölkerung geschaffen und damit mehr Weitsicht bewiesen als viele heutige Politiker. Damals seien keine Mindestfahrgastzahlen für die Bahn verlangt worden. Mit der Zeit seien die Fahrgäste aber gekommen. „Die Infrastrukturvorleistungen sind eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung“, ist die BI überzeugt.

1975 wurde die Strecke elektrifiziert. Danach wurden aber Bahnhöfe und Haltepunkte abgebaut. Die Zughalte in Boxberg wurden 1985 eingestellt. Seither fahren die Züge nur noch durch. Die Menschen wurden gezwungen, ihre Mobilität mit anderen Verkehrsmitteln zu organisieren. Es habe vielfältige Initiativen dafür gegeben, Züge wieder auf den Unterwegsbahnhöfen zwischen Osterburken und Lauda halten zu lassen.

„Wir forderten die Weiterführung der S-Bahn bis nach Würzburg“, so Sohns. Seit Dezember 2019 gibt es nun den gemeinsam vom Land und den Landkreisen Neckar-Odenwald und Main-Tauber finanzierten Probebetrieb einer Regionalbahn zwischen Osterburken und Würzburg, der jedoch auf drei Jahre befristet ist. Er werde nur dann fortgeführt, wenn täglich 500 Personenkilometer erreicht werden.

Sohns kritisierte die Ungerechtigkeit, dass beim Bau der S-Bahn von Mannheim über Mosbach bis nach Osterburken keine Mindestfahrgastzahlen verlangt wurden. Solange das Damoklesschwert der Einstellung der Regionalbahn über den Köpfen schwebe, „verkauft niemand seinen Zweitwagen, um mit der Bahn zu fahren“, weil die Verlässlichkeit des Angebots fehle.

Die Bürgerinitiative fordert, dass die Bedingung für den Weiterbetrieb der Regionalbahn von 500 Personenkilometern fallen gelassen wird und die Züge auch am Wochenende fahren. Zum Besuch von Freizeitund Kulturveranstaltungen sei dies ebenso wichtig wie für den Tourismus.

Landtagskandidat Dr. Leonhard Haaf versicherte den Anwesenden, dass sich seine Partei, nicht zuletzt aus Gründen des Klimaschutzes, für die Verkehrswende stark mache und einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorantreibe. Eingeführt worden sei zum Beispiel der preisgünstige BW-Tarif, mit dem verbundübergreifend im ganzen Land mit einem Fahrschein gefahren werden kann.

Umkehr benötigt Zeit
Der Main-Tauber-Kreis profitiere von den stündlich verkehrenden Regiobussen Bad Mergentheim – Künzelsau und Buchen – Tauberbischofsheim, die zu 60 Prozent vom Land bezahlt werden und von einem Stundentakt mit neuen Fahrzeugen auf der Tauber- und Frankenbahn. Kreisrat Rainer Moritz verwies darauf, dass mit dem Probebetrieb der Regionalbahn von der grün-geführten Landesregierung nach über 40 Jahren Stillstand eine Trendwende eingeleitet wurde. Eine Umkehr sei jedoch nicht von jetzt auf nachher zu schaffen, sondern benötige Zeit.

Die Einführung der Regionalbahn sei „ein Signal, dass es auch anders geht als bisher“. Der Landkreis habe dafür bereits die Buslinien angepasst, um Schülerverkehr, „das Rückgrat des ÖPNV“, auf die Bahn zu bringen. Das koste ihn 700 000 Euro. Den Bahnbetrieb bezuschusse er mit einer Million Euro. Insgesamt koste er 3,6 Millionen Euro pro Jahr.

Um die Überführung in einen Dauerbetrieb zu ermöglichen müssten Bahn, Bund, Land und Kommunen an einem Strang ziehen. Alle müssten ihren Beitrag dazu leisten, Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsmittel zu verlagern und mehr Menschen zum Bahnfahren zu bewegen.

Die hohen Aufwendungen seien nur dann zu rechtfertigen. Allein den Probebetrieb weiterzuführen reiche nicht aus. „Dabei ist allen klar, auch dem Verkehrsministerium in Stuttgart, dass die wegen der Corona- Pandemie gesunkenen Fahrgastzahlen nicht als Maßstab für den Weiterbetrieb der Regionalbahn dienen können“, so Moritz.

Die Stadt Boxberg sollte beispielsweise dem Vorbild des Landkreises und der Stadt Bad Mergentheim folgen, und ihren Beschäftigten ein Jobticket anbieten, schlug er vor. Gleichzeitig sollten in Schweigern und Unterschüpf wieder Haltepunkte eingerichtet werden, um das Fahrgastpotenzial der dort angesiedelten Firmen nutzen und den schienenparallelen Busverkehr einstellen zu können.


© Fränkische Nachrichten, Donnerstag 4.3.21 zurück

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